Zünftig gekleidet

Wie zahlreiche Zimmerleute der alten Schule trägt Reinhard seine Kluft mit Stolz. Zunftkleidung ist nicht nur ein Ausdruck von Berufsethos und Handwerkskunst, sondern spiegelt auch eine tiefe kulturelle Bedeutung wider, da sie untrennbar mit der Geschichte des Handwerks verknüpft ist.

Die Zunftkleidung geht auf das Mittelalter zurück, als die Zünfte eine wichtige Rolle in der sozialen und wirtschaftlichen Struktur spielten. Zimmerleute, als Mitglieder der Handwerkszünfte, trugen oft spezielle Arbeitskleidung, die ihre Zugehörigkeit zur Zunft und ihren Status als Fachleute im Holzhandwerk signalisierte. Diese Kleidung hatte nicht nur praktische Funktionen, wie Schutz vor Witterungseinflüssen, sondern war auch ein Symbol der Handwerkskunst und der sozialen Stellung.

Typischerweise bestand die Zunftkleidung aus Materialien wie Leder, Wolle und Leinen. Vor Jahrhunderten waren diese Materialien die besten verfügbaren Optionen, um den täglichen Arbeitsanforderungen gerecht zu werden. Erwirbt man heutzutage eine Zimmererkluft von der Stange, verfügt die klassisch aus Cord gefertigte Montur standardmäßig über einen Lederbesatz an Taschen und Reißverschlüssen sowie über Knöpfe aus Perlmutt. Daneben werden solche Kleidungsstücke häufig in Niedriglohnländern hergestellt, teils unter grausamen Produktionsbedingungen.

Bezieht man in diesen Zusammenhängen Überlegungen zu fairer, nachhaltiger Mode sowie zur Tierethik in die Betrachtung ein, führen die oben genannten Aspekte unweigerlich zu der Frage: Wie lassen sich traditionelle Zunftkleidung und moderne ethische Standards miteinander in Einklang bringen? Um uns diesem Themenkomplex anzunähern, haben wir vergangenen Sommer eine der wenigen deutschen Zunftschneidereien besucht.

Das Team der Kluft-Schneiderei Arthur Capelle aus Thierstein gewährte uns dabei Einblicke in seine Werkstatt. Über fünfzig Nähmaschinen finden sich darin, keine davon doppelt. Jede verfügt über eigene Besonderheiten, die für die Fertigung der anspruchsvollen und robusten Arbeitskleidung eine Rolle spielen.  

Die vielen Maschinen ermöglichen dem Team überdies, die Kleidungstücke schneller herstellen zu können und dadurch mit der Konkurrenz mithalten zu können. Zwar ist eine in Deutschland maßgeschneiderte Kluft immer noch teurer als importierte Ware von der Stange; im Bereich des Handwerks scheinen sich jedoch genügend Menschen zu finden, die bereit sind, (1) auch das Schneiderhandwerk zu würdigen und (2) für die regional hergestellte und qualitativ hochwertige Zunftkleidung einen angemessenen Preis zu zahlen.

Denn seien wir ehrlich: Wann immer wir an Geld einsparen, zahlen andere dafür den Preis. Es ist allgemein bekannt, dass im Kontext von Massen- und Billigproduktionen in aller Regel die Umwelt, die Tiere und/oder die Menschen in Entwicklungsländern ausgebeutet werden. Zum Glück gibt es aber auch eine gute Nachricht: Wir alle können einen Beitrag für eine bessere Welt leisten, indem wir uns entschließen, ethische Kaufentscheidungen zu treffen.

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