In Gebäuden, die so alt sind wie das Haus, in dem wir leben, finden sich keine geraden Kanten und rechten Winkel. Die Wände bestehen aus Bruchsteinen, jeder von ihnen ist ein Unikat. Das damals verwendete Holz wurde ohne motorisierte Geräte zugesägt und alle verbauten Materialien wurden in aufwendiger Handarbeit passgenau eingearbeitet. Wir haben die allergrößte Hochachtung vor der Leistung der Handwerker und Baumeister dieser Zeit. Für uns macht gerade der Verzicht auf maschinell erstellte Symmetrie und Geradlinigkeit einen Großteil des besonderen Charmes von Altbauten aus.
Es gibt jedoch Menschen, die das anders sehen und die sich an den schiefen Wänden stören. Oft wird dann versucht Unebenheiten auszugleichen, indem zusätzliche Wandelemente vor dem Bruchsteinmauerwerk platziert werden. So hatte man auch in unserem Haus an den Naturstein-Außenwänden eine Holzlattung angebracht und daran Gips-Karton-Platten montiert, die überdies an der rückwärtigen Seite mit Styropor versehen waren. Der Einsatz von Gips und Styropor entspricht nicht unserem Verständnis von nachhaltigem Bauen – besonders im Werkstoffverbund. Als innere Ummantelung der Außenhülle von Altbauten ergibt sich aus dieser Kombination zudem eine besondere Problematik: das normalerweise durchlässige Natursteinmauerwerk wird von innen hermetisch verriegelt. Mit solchen Styroporverkleidungen als Innendämmung wird üblicherweise eine energetische Aufwertung des Gebäudes angestrebt. Dadurch wird jedoch der Austausch von Luft, Feuchtigkeit und Temperatur verhindert, was in der Regel mittel- und langfristig zu Problemen wie Feuchtestau und Schimmelbildung führt.
Damit das Gemäuer atmen kann stand für uns deshalb fest, dass die vormontierten Wände weichen müssen. Um die alte Handwerkskunst zu würdigen und zugleich dem Wohnzimmer einen besonderen Akzent zu verleihen, entschieden wir außerdem, eine der Bruchsteinwände in ihrer einzigartigen Schönheit unverputzt zu zeigen. Dazu war es nach der Demontage der Gips-Karton-Styropor-Platten im nächsten Schritt erforderlich, den maroden Kalkputz von der Wand zu entfernen.



Die erste Schicht trugen wir mit einem kleinen Stemmhammer ab – sehr vorsichtig, um die Oberfläche der Kalksandsteine nicht zu beschädigen. Auf diese Weise ließen sich die Putzreste in den schmalen Mauerfugen allerdings nicht abtragen, so dass wir die Fugen von Hand mit dem Spitzhammer freilegten. Anschließend reinigten wir die Steine auch noch einmal händisch mit einer Messingdrahtbürste. Messing ist ein weiches Metall. Es nutzt sich zwar zügig ab, so dass wir für diesen Arbeitsschritt mehrere der Bürsten benötigten; dafür schont seine Beschaffenheit die Steinoberfläche jedoch erheblich.



Nach dem Rückbau der Mauer stand die Verfugung der Steinzwischenräume an. Traditionell geschieht dies mithilfe einer Fugenkelle, was zwei Nachteile mit sich bringt: erstens dauert es lange und zweitens kann man mit einer Fugenkelle nicht sonderlich präzise arbeiten, so dass ein Großteil der mühsam freigelegten Steine nach dem Verfugen unter dem Putz verborgen geblieben wäre. Da wir erstens wegen dem näher rückenden Einzugstermin unter Zeitdruck standen und zweitens so viel wie möglich vom Mauerwerk sichtbar lassen wollten, musste eine Alternative her.
Die Lösung fanden wir im Zusammenspiel von Lehmputz und einer Kartuschen-Spritze. Wir füllten die Spritze mit mineralhaltigem Lehm, den wir mit mehr Wasser als zum Verputzen üblich anrührten. Anschließend fuhren wir mit der Spritze an den Mauerfugen entlang, pressten den Lehmputz dort hinein und säuberten die Stellen, an denen er zu dick aufgetragen war, mit einem wassergetränkten Pinsel. Es brauchte ein paar Versuche, um die für diese Art der Anwendung passende Konsistenz des Lehmputzes zu ermitteln. Anfangs verstopfte nämlich die Öffnung der Spritze ein paar Mal, weil der Lehm zu dickflüssig, also mit zu wenig Wasser angerührt worden war. Als wir dann aber noch etwas Flüssigkeit dazu gaben wurde der Putz breiig genug, um ihn problemlos, zügig und zielgenau zu verarbeiten.
Die Kontur der einzelnen Steine ließ sich mit der gewählten Technik erstaunlich gut zur Geltung bringen. Einzig ein weißer Röhrenheizkörper trübt das Bild der naturbelassenen Wand. Er ließ sich technisch aufgrund des Installationsstrangs der Verrohrung leider nicht anders platzieren. Aber so ist das nun einmal in Gebäuden, die so alt sind wie das Haus, in dem wir leben: Unvollkommenheit zeichnet ihre Schönheit aus.







Hallo ihr zwei, ganz ganz großen Respekt vor der Arbeit, Zeit und die Liebe zum Detail, die ihr bereits in euer Projekt investiert habt. Ganz lieben Gruß dein Bruder 😘👍
Hallo Dieter – großer Bruder – hab vielen Dank für deine lieben Worte! Einen festen Drücker aus der Ferne von uns 💜
Wunderschön! 🩷
Herzlichen Dank!