Mit den eigenen Händen ein Werkstück zu erschaffen, ist für uns jedes Mal etwas Besonderes. Einerseits sind diese Schaffensprozesse so einzigartig wie die handgemachten Unikate selbst; andererseits lassen sich darin wiederkehrende Muster entdecken. Am Beispiel eines Räucherstäbchenhalters möchten wir dieses Zusammenspiel von schöpferischem Fluss und rahmenden Prinzipien veranschaulichen.
Am Anfang steht der Wunsch nach einem Räucherstäbchenhalter als Impuls, der uns antreibt, ins Nachdenken bringt, Ideen freisetzt. Bereits an dieser Stelle greift die innere Haltung regulierend ein, denn unserem Tun liegt die Prämisse zugrunde, nachhaltige Materialien zu verwenden, die möglichst vollständig wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Holz wird diesem Anspruch gerecht und eignet sich zur Herstellung eines Räucherstäbchenhalters. Unsere Gedanken fließen weiter. Wir stimmen in dieser Phase unsere Wünsche und die Wirklichkeit ständig aufeinander ab. Einen runden Räucherstäbchenhalter möchten wir, keinen länglichen. Auch das ist in Holz möglich, beispielsweise mithilfe einer Drechselbank. Dazu wird neben der Maschine das entsprechende Know-how benötigt. Über beides verfügen wir und möchten den Versuch wagen.
Bevor wir für ein Projekt neues Material anschaffen, sichten wir stets das Vorhandene: ist für das Vorhaben etwas von dem nutzbar, das uns bereits zur Verfügung steht? Um möglichst offen gegenüber allen verwendbaren Stoffen zu bleiben, versuchen wir uns von der Idee zu lösen, „das perfekte Werkstück“ herstellen zu wollen. Die Erfahrung hat uns dabei gelehrt, dass die Schönheit eines Gegenstandes oftmals hinter seiner unscheinbaren Oberfläche verborgen liegt – so auch im hier behandelten Fall des Räucherstäbchenhalters. Denn als Basis dient uns eine auf den ersten Blick unansehnliche Kirschbaumwurzel, die etwa drei Jahre lang auf unserem Hofgrundstück im Dreck gelegen hat. Unmittelbar am Stammansatz schneiden wir ein Stück davon ab, um es weiter zu verarbeiten. Seitlich im Holz befinden sich Verwachsungen. Für uns ist offen, wie sich diese Unebenheiten bei der Weiterverarbeitung auswirken; zweifelsfrei jedoch wird sich dieses Kirschholz nicht problemlos drechseln lassen. Wir verwenden es trotzdem.
Der weitere Verlauf wird maßgeblich von der einzigartigen Beschaffenheit des gewählten Rohlings beeinflusst. Reißt oder bricht das Holz auseinander, ist der Versuch gescheitert. Behutsam bearbeiten wir also das Werkstück und beobachten, wie es sich auf der Drechselbank verhält. Dort, wo sich die Verwachsungen befinden, entsteht durch das Drechseln eine Öffnung, die umso größer wird, je schlanker wir die Schale für den Räucherstäbchenhalter formen. Tragen wir zu viel Material ab, könnten wir unser Werkstück in irreparabler Weise beschädigen. Immer wieder halten wir deshalb inne, um zu entscheiden, ob bzw. wie wir das Holz weiterbearbeiten. Dies wiederholen wir so lange, bis wir mit der Form des Räucherstäbchenhalters zufrieden sind.
Doch die Schale, die dem Auffangen der beim Räuchern entstehenden Asche dient, ist aufgrund der entstandenen Öffnung in ihrer Funktionalität eingeschränkt. Der oben beschriebene Prozess des Annäherns von Wunsch und Wirklichkeit beginnt daher an dieser Stelle erneut. Wir suchen nun nach einer Möglichkeit, um die Schale zu verschließen, idealerweise, ohne sie zu kleben. Dementsprechend suchen wir nach einem Gegenstand, der sich manuell in die Lücke einpassen lässt. Dünnes Metall ist biegbar, entspricht unseren Vorstellungen zur ökologischen Materialauswahl und passt optisch zu unserem Werkstück aus Holz. Auf dieser Grundlage überlegen wir wieder, ob sich etwas in unserem Bestand befindet, das wir nutzen können. Was uns schließlich zu einer Lösung führt, ist auch hier das Sich-Lösen von begrenzenden Vorstellungen. Dieses Mal, indem wir dem Prinzip der Zweckentfremdung folgen. Wir erinnern uns nämlich an das kleine Reststück einer alten, rostigen Wellblechplatte. Diese wurden in unserer Region früher üblicherweise zur Dacheindeckung von Scheunen genutzt. Aus dieser Metallplatte schneiden wir ein Stück aus und bringen es mit einem Hammer in die passende Form, um die offene Seite des Räucherstäbchenhalters zu verschließen. Sodann bohren wir mittig in der Schale ein kleines Loch, das als eigentliche Halterung für die Räucherstäbchen dient. Nachdem wir das Holz geölt und mit dem Metallplättchen verschlossen haben, sind wir mit dem Ergebnis zufrieden.
Ohne Schablonen oder Vorlagen, ohne Messungen oder Berechnungen – aber vor allem: ohne Druck – ist ein liebevoll gefertigtes Einzelstück entstanden. Jede Entscheidung auf dem Weg dorthin war maßgeblich, jede Änderung in unserem Vorgehen hätte dementsprechend ein anderes Resultat zur Folge gehabt. Vieles bleibt daher ungewiss. So werden wir nie erfahren, ob uns ein anderes Ergebnis besser gefallen hätte, ob wir damit unzufrieden gewesen wären oder durch welches Vorgehen das Werkstück gar auseinandergebrochen wäre. Aber eines steht für uns fest: Neugier und der Mut zum Scheitern gehören zum kreativen Arbeiten dazu.

