Feuer und Stahl

Obwohl Reinhard mit seinen über die Jahre erworbenen Fähigkeiten bereits ein breites Spektrum an handwerklichen Herausforderungen abzudecken vermag, lernt er immer noch gerne dazu und taucht in neue Handwerksbereiche ein. Aus diesem Grund haben wir an einem Schmiedekurs teilgenommen. Der Workshop, bei dem es weniger darum ging, ein fertiges Werkstück mit nach Hause zu nehmen, als vielmehr darum, einführend zentrale Techniken des Schmiedehandwerks kennen zu lernen, fand in der historischen Schmiede des Freilichtmuseums ‚Roscheider Hof‘ unter der Leitung von David Donatus Rosenberg statt. Das Ambiente hätte nicht passender sein können, um diesem alten, traditionellen Handwerk mit seinen besonderen Anforderungen gerecht zu werden.   

Bei dem historischen Gebäude handelt sich um die auf dem Gelände des Roscheider Hofs wieder aufgebaute, ehemalige Nagelschmiede aus Irmenach. Die Bezeichnung ‚Nagelschmied‘, so berichtet unser Kursleiter, wurde früher als Beleidigung verwendet. Das Nagelschmieden war eine monotone Tätigkeit, bei der es vor allem auf Schnelligkeit und Kraft ankam. Nagelschiede galten insofern als dumm und brutal. Von solchen spezifischen Vorurteilen einmal abgesehen lässt sich allerdings bemerken: eine besondere Wertschätzung erfährt dieses anspruchsvolle Handwerk insgesamt bis heute nicht.  

Dabei waren Schmiede früher, zum Beispiel auf mittelalterlichen Baustellen, aber auch noch bis in die 1950er Jahre hinein, für die Durchführung von Bauvorhaben unverzichtbar. Sie stellten etwa die benötigen Nägel her – und davon wurden eine ganze Menge gebraucht. Ebenso wichtig waren Schmiede aber auch für die Reparatur und Neuanfertigung von Werkzeugen. Daneben steuerten sie kunstvolle Gegenstände wie Tore oder Geländer zu den Bauwerken bei. Der industrielle Einsatz von Maschinen drängt die Schmiede unserer Zeit jedoch zunehmend in den Hintergrund.

Erschwerend hinzu kommen die körperlichen Herausforderungen, die das Schmiedehandwerk mit sich bringt und es insofern für junge Menschen, die sich für einen handwerklichen Beruf interessieren, eher unattraktiv erscheinen lässt. Dunkel und beengt ist es beispielsweise in der alten Schmiede voller antiker Werkzeuge. An der hinteren Wand in der Mitte des Raumes steht der offene Schmiedeofen. Die Wände sind vom Ruß der Flammen schwarz überzogen. Die Feinstaubbelastung in dem kleinen Gebäude entspricht pro Stunde in etwa dem Rauch von sechs Zigaretten, informiert uns der Kursleiter.

Mittels eines manuell betriebenen Blasebalgs wird das Feuer in Gang gehalten. Der Stahl wird darin auf ca. 1200 Grad Celsius aufgeheizt. Bleibt er zu kalt, lässt er sich nicht gut bearbeiten und büßt im Verlauf mehrerer Arbeitsgänge an Qualität ein. Wird er zu heiß, „vebrennt“ der Stahl und wird für die Weiterverarbeitung unbrauchbar. Der ständige Blick in die Flammen, um die Temperatur zu kontrollieren, strapaziert die Augen.

Wird beim Erhitzen des Stahls der richtige Moment abgepasst, kann das Metall anschließend mit Hilfe eines Hammers auf dem Amboss beschafft werden. Für unterschiedliche Ergebnisse ist das Wissen um unterschiedliche Techniken notwendig. Daneben beansprucht dieser Teil der Arbeit nicht bloß die Muskeln, sondern auf Dauer auch die Gelenke.

Nach einem kurzen Theorie-Input dürfen alle Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer sich selbst am glühenden Stahl versuchen. Vier Menschen beschaffen auf engstem Raum ihre Werkstücke. Da ist Umsicht und Rücksichtnahme gefragt, um sich mit den heißen Metallstäben nicht zu verletzen. Stellenweise wird es hektisch, der Lärmpegel steigt immens. Nach typischen Berufskrankheiten gefragt, antwortet unser Kursleiter pointiert: „Lungenkrebs, Erblindung, kaputte Gelenke, Taubheit.“

Und trotzdem. Trotzdem geht bis heute eine Faszination aus von handgeschmiedeten Gegenständen wie edlen Messern und Schwertern. Trotzdem können industriell gefertigte Werkzeuge im Hinblick auf ihre Qualität den Handgeschmiedeten nicht den Rang ablaufen. Trotzdem gibt es Menschen wie David Donatus Rosenberg und Organisationen wie die Freilichtmuseen ‚Roscheider Hof‘ oder ‚Hessenpark‘, die sich dafür stark machen, dass das alte Wissen nicht verloren geht.

Und so möchten auch wir einen kleinen Beitrag leisten und mit diesem Artikel das Schmieden wieder ins Bewusstsein rücken als eine anspruchsvolle Handwerkskunst, die es zu würdigen und zu bewahren gilt.

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